Sonntag, 15. März 2015

Abgeltungsteuer: Kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei Günstigerprüfung (BFH)

Auch bei der "Günstigerprüfung" nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG findet § 20 Abs. 9 EStG Anwendung; ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten kommt daher nicht in Betracht (BFH, Urteil v. 28.1.2015 - VIII R 13/13; veröffentlicht am 11.3.2015).

Hintergrund: Nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG werden auf Antrag des Steuerpflichtigen anstelle der Anwendung der Absätze 1, 3 und 4 der Norm die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte den Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung).

Sachverhalt: Der Kläger war testamentarischer Alleinerbe der im September 2010 verstorbenen A. Im Streitjahr 2009 lebte die über 90 Jahre alte A in einem Pflegeheim und hatte neben Renteneinkünften aufgrund einer atypischen Zusammenballung Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 30.238 €. Aufgrund eines Treuhandvertrages mit dem Kläger, der ihr Vermögen verwaltete und sie betreute, hatte die A an den Kläger im Jahr 2009 eine Vergütung von ca. 10.650 € gezahlt, die - abzüglich eines vom Finanzamt (FA) als außergewöhnliche Belastung berücksichtigten Teilbetrages von 3.549 € - als Werbungskosten bei Ermittlung der Kapitaleinkünfte geltend gemacht wurde. Da der Steuersatz der A deutlich unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 % lag, berief sich der Kläger auf die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG und begehrte - gegen den Wortlaut des § 20 Abs. 9 EStG - den vollen Werbungskostenabzug. In erster Instanz vor dem Finanzgericht hatte die Klage Erfolg. Der BFH dagegen wies die Klage ab.

Hierzu führten die Richter weiter aus:
  • Zwar kommt bei der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende Abgeltungsteuersatz von 25% zur Anwendung, sondern der (niedrigere) progressive Regelsteuersatz.

  • Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte ist indes auch bei der Günstigerprüfung nach § 20 EStG vorzunehmen; damit findet auch im Falle der Günstigerprüfung das Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten (§ 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG) Anwendung.

  • Der Abzug bleibt damit auf den sog. Sparer-Pauschbetrag von 801 € beschränkt.

  • Sowohl § 32d Abs. 6 EStG als auch das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 20 Abs. 9 EStG halten verfassungsrechtlichen Anforderungen stand (vgl. dazu bereits BFH, Urteil v. 1.7.2014 - VIII R 53/12).

  • Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ist vornehmlich als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liegt als 25 %, eine weitere Begünstigung erfahren.

  • Diese soll aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheiden.
Hinweis: Ob es sich im Streitfall um einen atypischen Extremfall handelte, für den eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO in Betracht zu ziehen ist, hatte der BFH nicht zu entscheiden. Er weist jedoch darauf hin, dass es keinen Anspruch auf "Meistbegünstigung" selbst gewählter Gestaltungen gibt.

Anmerkung: Entsprechend hat der BFH in einem ähnlichen Fall mit Urteil v. 2.12.2014 - VIII R 34/13 entschieden. Hier stellte das Gericht zudem klar, dass das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG auch dann Anwendung findet, wenn Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind.